People Pleasing: Möchtest du es immer allen recht machen? Fällt es dir schwer, Nein zu sagen? Vermeidest du oft Konflikte? Sind die Bedürfnisse anderer oft wichtiger als deine eigenen? Bist du harmoniebedürftig?
Falls du dich hier angesprochen fühlst, dann lies unbedingt diesen Artikel. Hier erfährst du, wie du den Weg aus dem People Pleasing findest und mehr Raum für deine eigenen Bedürfnisse schaffst.
Definition People Pleasing: Was bedeutet das eigentlich genau?
People Pleaser sind Menschen, die es anderen um jeden Preis recht machen möchten. People Pleaser haben ein starkes Bedürfnis, anderen zu gefallen und eine ausgeprägte Angst vor Ablehnung. Oft sagen sie Ja, obwohl sie eigentlich Nein sagen wollen. Sie meiden Konflikte und haben einen großen Wunsch nach Harmonie.
Doch all das geht oft auf ihre eigenen Kosten. Sie versuchen, die Wünsche und Bedürfnisse der anderen zu erfüllen und vernachlässigen die eigenen Bedürfnisse dafür. Die Grundhaltung des People Pleasers ist: Du bist wichtiger als ich! Deine Bedürfnisse sind wichtiger als meine!
Warum People Pleasing ungesund ist: Beispiele aus meiner Arbeit
Anstatt das Thema theoretisch anzugehen, möchte ich dir von meiner Klientin Anna (Name geändert) erzählen und warum People Pleasing uns langfristig schadet.
Anna ist unglaublich liebenswert und jeder mag sie. Auf Anna kann man sich immer verlassen. Wer Hilfe und Unterstützung braucht – Anna ist da. Auch im Job ist sie zuverlässig, pflichtbewusst und beschwert sich nie über Überstunden. Das gefällt ihrem Chef.
Voller Stolz erzählt mir Anna all das und kommt dann zu dem „schlechten Teil“: Im Moment geht es ihr überhaupt nicht gut. Sie ist erschöpft, ausgelaugt und oft gereizt und weiß gar nicht, warum. Klar, manchmal ist alles viel, aber das ist doch normal – andere haben doch genau so viel zu tun. „Es ist doch eine tolle Eigenschaft, hilfsbereit zu sein. Was ist denn falsch mit mir, dass ich das nicht besser wegstecke?“ fragte sie mich.
„Wie sieht es denn mit deinen eigenen Bedürfnissen aus? Wie gut achtest du auf sie?“ frage ich zurück. Anna schaut mich mit großen Augen an, als hätte sie die Frage nicht verstanden. „Wie meinst du das?“ Ich wiederhole meine Frage und die ersten Tränen kullern über Annas Wangen. „Ehrlich gesagt, ich weiß gar nicht, was meine eigenen Bedürfnisse sind. Ich bin so damit beschäftigt, es allen anderen recht zu machen, dass ich schon lange nicht mehr auf mich und meine Bedürfnisse geachtet habe.
Bei Anna hat das People Pleasing zu einer leichten Erschöpfungsdepression geführt. Sie ist zum Glück noch rechtzeitig gekommen, sodass wir früh genug gegensteuern und Schlimmeres verhindern konnten.
People Pleasing kann durchaus auch zu einer ausgewachsenen Erschöpfungsdepression, zu Burnout, Angststörungen oder zu körperlichen Beschwerden wie chronischen Verspannungen, Schlafstörungen oder Schmerzen führen.
People Pleasing zahlt nie auf die positive Seite unseres „Gesundheitskontos“ ein! Dafür ist der Preis einfach zu hoch.
Das große Problem beim People Pleasing
Es gibt zwei große Schwierigkeiten, die das People Pleasing so raffiniert und schwer greifbar machen:
Der People Pleaser Autopilot
Das „People Pleasing Gen“ läuft oft auf Autopilot. Anna merkte zum Beispiel nie, wenn sie im People Pleasing Modus war. Für sie fühlte es sich ganz normal an, und sie machte sich überhaupt keine Gedanken darüber.
Es war wirklich so, als wäre das People Pleasing so tief im Unterbewusstsein eingebrannt, dass es ständig automatisch abläuft, ohne dass Anna davon eine Ahnung hat.
People Pleasing geht immer auf eigene Kosten
Das zweite große Problem ist, dass People Pleasing immer auf unsere eigenen Kosten geht.
Anna sehnte sich oft nach Ruhe, einfach mal nichts tun. Dann ruft eine Freundin an, der es nicht gut geht – und Anna ist natürlich sofort für sie da. Ohne zu zögern stellt sie ihr eigenes Bedürfnis zurück.
Anna hat sich ganz fest vorgenommen heute Abend ins Fitnessstudio zu gehen. Kurz vor Feierabend legt ihr der Chef noch etwas auf den Tisch, was dringend heute noch gemacht werden muss. „Klar, kein Problem, das mach ich noch“, sagt sie. Und ihr Bedürfnis nach Sport wurde wieder nach hinten geschoben.
Solche Situationen waren bei Anna an der Tagesordnung.
Durch das People Pleasing hat sie ihre eigenen Bedürfnisse regelmäßig vernachlässigt, und so fehlten ihr die Dinge, die für Annas Wohlbefinden wichtig gewesen wären. Wenn so was mal vorkommt, ist das kein Problem. Doch wenn es zur Gewohnheit wird, dann geht das an die eigene Substanz. Letztlich leben wir am eigenen Leben vorbei!
Es gibt aber noch eine tiefere Wirkung, die nicht gut für uns ist:
Wir schwächen damit unser Selbstwertgefühl!
Wenn ich ständig die Bedürfnisse der anderen über meine eigenen stelle, dann sage ich mir unbewusst dauernd: „Ich bin nicht wichtig“, „Was ich brauche, zählt nicht“, „Das Wohlbefinden der anderen ist wichtiger als meines“.
Stell dir mal vor, eine Freundin würde zu dir sagen: „Du bist nicht wichtig“, „Was du brauchst, zählt nicht“, „Dein Wohlbefinden ist mir vollkommen egal“. Wie würdest du dich dann fühlen? Was würdest du über diese Freundin denken? Wahrscheinlich wärst du so richtig sauer auf sie, würdest dich unglaublich ärgern und ihr vielleicht sogar die Freundschaft kündigen.
Warum sprechen dann selbst so mit uns? Warum erlauben wir es, dass wir uns selbst abwerten und uns indirekt Dinge sagen, die wir von anderen Personen nie akzeptieren würden?
Ich finde, es ist Zeit, das zu ändern!
Aber um etwas zu verändern, ist es wichtig, die Ursachen zu kennen. Denn: Nur was uns bewusst ist, können wir verändern.
Die Ursachen: Warum bin ich ein People Pleaser?
Kommen dir einige Situationen aus Annas Geschichte bekannt vor?
Dann geht es dir vermutlich wie Anna, und du hast schon in der frühen Kindheit gelernt, dass es nützlich für dich ist, dich so zu verhalten, wie andere es von dir erwarten. Anna war ein Sonnenschein-Kind, immer brav und hat getan, was von ihr erwartet wurde. Dann war die Stimmung zu Hause super. Sonst nicht. Es war furchtbar für Anna, wenn die Mama böse mit ihr war, also hat sie getan, was die Mama wollte.
In der Schule ging es dann später so weiter. War sie brav, waren die Lehrer nett und zugewandt, wenn nicht, wurde sie geschimpft. Also hat sie sich angepasst und war brav.
Als Kind können wir solche Situationen noch nicht kognitiv einordnen. Wir gehen ausschließlich danach, wie es sich für uns anfühlt. Dabei orientieren wir uns natürlich an den nächsten Bezugspersonen. Wenn ich also merke, dass Mama wütend wird, wenn ich meine Bedürfnisse einfordere, löst das ein Unwohlsein in mir aus. Das fühlt sich nicht gut an und das möchte ich nicht spüren. Also bleibe ich beim nächsten Mal lieber ruhig. Das legt den Grundstein für das spätere People Pleasing – dass wir die Bedürfnisse der anderen über unsere eigenen stellen.
Anna hat also früh gemerkt, dass es ihr Leben viel angenehmer macht, wenn sie angepasst und brav ist. Also wurde das ihre soziale Hauptstrategie, die sie über die Zeit absolut perfektioniert hat!
Denn recht bald hatte Anna sehr feine Antennen dafür, was die anderen von ihr erwarteten, ohne dass diese es überhaupt aussprechen mussten. Sie konnte erahnen, was bei anderen gut ankam, und diese Fähigkeit hat sie bis heute.
Hier kommt noch ein weiteres Phänomen des People Pleasing: Wir denken oft zu erahnen, was die anderen von uns erwarten. Das hat meistens aber nichts mit der Realität zu tun. People Pleasing basiert also oft auf unseren Vermutungen, anstatt auf der Realität.
Anna ging davon aus, dass sie genau wusste, was andere von ihr erwarten, und sie war so überrascht, als sie merkte, dass das gar nicht stimmt. Sie hat angefangen, ihre Annahmen auf Realität zu überprüfen und nachzufragen, was die anderen erwarten. Meistens war es etwas ganz anderes, als sie angenommen hatte.
Um dieses destruktive Muster zu verändern, müssen wir das People Pleasing hinter uns lassen.
Wie du mit People Pleasing aufhörst
Hier habe ich wertvolle Tipps für dich gesammelt, wie du Schritt für Schritt aus dem People Pleasing aussteigen kannst.
1. Raus aus dem Autopiloten
Es ist wichtig, zuerst den Autopiloten auszuschalten und den People Pleasing Automatismus zu durchbrechen. Dafür brauchst du ein wenig Zeit, in der du reflektieren kannst und dir selbst ein paar wichtige Fragen beantwortest.
Wenn also das nächste Mal jemand auf dich zukommt, mit einer Bitte oder einer Aufgabe, dann antworte nicht direkt. Verschaffe dir stattdessen ein wenig Zeit:
„Da muss ich erst kurz in meinen Kalender schauen, ob das klappt.“ „Kann ich dir später Bescheid geben? Ich weiß gerade nicht, ob das geht.“ „Ich würde dir gerne helfen, muss das aber erst noch klären.“
Das verschafft dir ein wenig Zeit und Raum, um dir einige entscheidende Fragen zu stellen:
- Würde ich das jetzt nur tun, weil ich mich dazu verpflichtet fühle?
- Würde ich das tun, um schlechtes Gewissen oder Schuldgefühle zu vermeiden?
- Würde ich es tun, weil es mir Freude macht oder weil ich der anderen Person Freude machen will?
Natürlich ist es vollkommen in Ordnung, auch mal selbstlos etwas für andere zu tun. Wichtig ist nur, dass du die Entscheidung überlegt und bewusst triffst und dass der People Pleasing Autopilot nicht anspringt.
2. Überprüfe deine Gedanken auf Realität
Bevor du das nächste Mal die Erwartungen der anderen erfüllst, weil du denkst, sie erwarten das von dir – frage erst mal nach, was die tatsächlichen Erwartungen der anderen Person sind. Stimmen deine Gedanken mit der Realität überein, oder erwartet die andere Person gar nicht das von dir, was du denkst?
Nach meiner Erfahrung, decken sich die tatsächlichen Erwartungen anderer und unsere Gedanken darüber oft gar nicht. Nicht selten ist es sogar das genaue Gegenteil.
Deshalb beginne damit, deine Gedanken und Vermutungen auf Realität zu überprüfen.
Das braucht ein bisschen Mut, denn wir sind es nicht gewohnt, solche Dinge anzusprechen. Deshalb empfehle ich dir, diesen Schritt langsam anzugehen und zuerst bei Menschen zu üben, die es gut mit dir meinen und die dich wirklich gern haben.
Frag deine beste Freundin: Du, ich hab das Gefühl, dass du jetzt dies und jenes von mir erwartest. Stimmt das? Du kannst sie auch vorher einweihen, ihr vom People Pleasing erzählen, und darüber, dass du das ändern möchtest und ob es okay ist, wenn du ihr diese Fragen stellst.
Außerdem lernst du dadurch die Menschen um dich herum noch besser kennen, und das schafft mehr Verbindung. Ganz nebenbei hat das übrigens eine positive Wirkung auf deine Beziehungen.
3. Trainiere deinen Me Pleasing Muskel
Bisher warst du im „Die Bedürfnisse der anderen sind wichtiger als meine eigenen Bedürfnisse“-Modus. Es ist wichtig, diese Überzeugung zu ändern. Suche dir dafür einen oder mehrere Sätze, die du als Mantra nutzen kannst. Das Ziel ist es, dass Sätze wie „Meine Bedürfnisse sind genauso wichtig, wie die Bedürfnisse der anderen“ oder sogar „Meine Bedürfnisse sind wichtiger, als die Bedürfnisse der anderen“ zu deiner Überzeugung werden.
Vielleicht magst du direkt mit diesen Sätzen arbeiten oder du suchst dir andere Formulierungen, die dich zum gleichen Ziel führen.
Verwende dein Mantra jeden Tag. Jedes Mal, wenn du daran denkst, sage dir deinen Satz vor – entweder laut, vielleicht sogar vor dem Spiegel, oder leise in Gedanken. Eine Kombination aus beidem ist besonders wirkungsvoll.
4. Stärke dein Selbstwertgefühl, deine Selbstsicherheit und dein Selbstvertrauen auf
Je mehr dein Selbstwertgefühl gestärkt ist, desto leichter fällt es dir, dich abzugrenzen, Nein zu sagen und es auch mal auszuhalten, nicht immer Everybody’s Darling zu sein.
In diesem Blogartikel bekommst du viele hilfreiche Tipps, wie du dein Selbstwertgefühl stärken kannst: https://rosinageltinger.de/selbstwertgefuehl-staerken/
5. Lass die anderen reden
Wenn du besser für dich einstehst und mehr auf dich achtest, wird es früher oder später Leute geben, die das nicht so gut finden, weil du plötzlich nicht mehr nach ihrer Pfeife tanzt und mehr auf dich schaust. Vermutlich werden diese Menschen versuchen, dir Schuldgefühle einzureden, dich zu manipulieren oder dich bei deinem Pflichtgefühl zu packen.
Hier ist wichtig, dass du dir bewusst machst: Das hat nichts mit dir persönlich zu tun!
Für dein Gegenüber war es einfach bequemer, wie es bisher gelaufen ist, und die Person hat keine Lust auf Veränderung. Wenn du aus dem People Pleasing aussteigst, kann es gut sein, dass du dadurch Abhängigkeitsverhältnisse auflöst – und das kann durchaus auch schmerzhaft sein.
Für ein selbstbestimmtes Leben ist es jedoch wichtig, diese Abhängigkeiten zu lösen, damit neue, selbstbestimmte Verbindungen entstehen können.
6. Achte gut auf dich
Beginne damit, dir und deiner Selbstfürsorge oberste Priorität zu geben. Sei deine Nummer 1.
Nein sagen, dich abgrenzen und für dich und deine Bedürfnisse einzustehen gehört da auch dazu. Das ist ein sehr wichtiger Teil der Selbstfürsorge.
Fange an, auch diese Aspekte der Selbstfürsorge zu berücksichtigen.
7. Mit kleinen Schritten zum großen Erfolg
Bitte, bitte, bitte überfordere dich nicht auf dem Weg, das People Pleasing hinter dir zu lassen. Wenn wir erst mal den Entschluss gefasst haben, etwas zu verändern, dann wollen wir meistens, dass die Veränderung sofort passiert!
Also stürzen wir uns mit vollem Elan in alle möglichen Übungen und Strategien, damit die Veränderung so schnell wie möglich eintritt. Doch oft geht uns dann die Puste aus, weil wir uns einfach zu viel vorgenommen haben.
Es sind die kleinen Schritte, die wir regelmäßig gehen, die uns zu unserem Ziel bringen. Überlege dir, welchen ersten kleinen Schritt du gehen möchtest, um mit dem People Pleasing aufzuhören. Suche dir eine Sache aus, auf die du Lust hast – dann macht das Umsetzen auch Spaß. Achte darauf, dass du die Schritte auch wirklich gut in deinem Alltag unterbringen kannst. Denn das Letzte, was du willst ist noch mehr Stress in deinem Leben.
Fazit
Für andere Menschen da zu sein, hilfsbereit zu sein und auch mal selbstlos zu handeln ist eine wunderbare Eigenschaft, die nicht mit People Pleasing verwechselt werden sollte.
People Pleasing ist immer gekoppelt mit der Dynamik, dass wir uns für andere aufopfern und die Bedürfnisse der anderen über unsere eigenen stellen. Es geht immer auf unsere Kosten und raubt uns Kraft, Energie und Lebensfreude. Oft ist das People Pleasing die Ursache, dass wir unzufrieden sind, uns fremdbestimmt fühlen und erschöpft sind.
Deshalb ist jetzt ein perfekter Zeitpunkt, das zu ändern. Und das bedeutet eben nicht, dass du ab sofort super egozentrisch wirst, sondern dass du dich nicht mehr kleiner machst als die anderen und ab sofort auch gut auf dich achtest.
Bist du bereit, dir selbst die gleiche Wichtigkeit zu schenken wie anderen? Probiere heute gleich den ersten Schritt aus und suche dein Mantra – nur für dich!