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Selbstfürsorge & Stressbewältigung

Warum kümmerst du dich mehr um andere, als um dich?

By 17. Februar 2023Mai 8th, 20252 Comments
Um andere kuemmern. Eine Person zieht alle anderen mit auf den Berg.

[Den Artikel habe ich im Februar 2025 überarbeitet]

Eine Freundin ruft an, weil sie einen echt schlechten Tag hatte und fragt, ob sie auf einen Kaffee vorbeikommen kann. Du hast eigentlich keine Zeit und sagst trotzdem ja. Du hattest in letzter Zeit viel Stress und freust dich total auf deinen Entspannungs-Abend heute. Ausgerechnet heute ist deine Kollegin krank und dein Chef bittet dich länger zu bleiben. Und du sagst ja. Deine Mutter bittet dich um einen Gefallen, auf den du absolut keine Lust hast und Zeit ist auch knapp. Und trotzdem sagst du zu!

Am Ende des Tages sitzt du da und denkst dir verzweifelt: Warum kümmere ich mich immer um andere? Und warum kümmere ich mich nicht genug um mich selbst?

Sich um andere kümmern – das hat für viele oberste Priorität. Meine Klientinnen fragen mich dann oft: Warum mache ich das? Warum kann ich nicht einfach nein sagen?

Vielleicht kommen dir diese Situationen bekannt vor, und du fragst dich auch: Warum mache ich das immer wieder? Die Antwort darauf steckt oft in tief verankerten Mustern, die wir im Laufe unseres Lebens entwickelt haben.

In diesem Artikel bekommst du Antworten auf all die Fragen, und vor allem sprechen wir darüber, wie du das ändern kannst! Und zwar ohne die anderen vor den Kopf zu stoßen, und ohne dabei egoistisch zu sein.

Warum kümmerst du dich mehr um andere als um dich?

1. Du hast es so gelernt

Von klein auf schauen wir uns bei unseren Eltern ab, wie es geht, erwachsen zu sein. Das, was unsere Eltern tun, wird unsere Vorstellung davon, wie man wohl als Erwachsener zu sein hat. Wenn meine Mama sich immer mehr um andere, als um sich selbst gekümmert hat, gehe ich als kleines Kind davon aus, dass man das als erwachsene Frau so macht. Wenn wir dieses Verhalten von klein auf beobachtet haben, übernehmen wir es oft unbewusst als Norm.

Wir lernen am besten am „Modell“, also an Rollenvorbildern. Wenn mein Modell mir vorgelebt hat „Kümmere dich erst um andere und dann um dich selbst“ wirst du das ziemlich sicher ganz automatisch übernehmen. Ohne es zu hinterfragen.

2. Wir kommen besser an!

Auch wenn wir als Kinder dieses Erwachsenen-Spiel noch nicht wirklich begreifen und die Spielregeln nicht kennen, spüren wir sehr schnell, was bei anderen gut ankommt – und was nicht. Wir merken: Wenn ich das tue, was die anderen wollen, sind sie viel lieber zu mir.
So entsteht früh ein Muster: Ich kümmere mich mehr um die Gefühle der anderen als um meine eigenen. Nicht aus Berechnung, sondern weil es das Bedürfnis nach Zugehörigkeit stillt.

Besonders zeigt sich das in Familien, in denen der Vater nicht präsent ist. Eine fehlende Vaterfigur bringt oft ein Ungleichgewicht ins Familiensystem, das irgendwie ausgeglichen werden muss. Viele Kinder richten ihren Fokus automatisch auf die Mama: Sie spüren, wie anstrengend es für sie ist, auch noch die Vaterrolle zu übernehmen.
Und dann passiert es ganz von selbst: Wir wollen es ihr recht machen. Wir werden brav, hilfsbereit, leistungsbereit – und verlieren dabei aus dem Blick, was wir selbst brauchen.

Was der fehlende Vater übrigens langfristig für uns Töchter bedeutet, beschreibe ich in diesem Blogartikel: Vaterwunde: Welche Auswirkung hat es auf Töchter, wenn sie ohne Vater aufwachsen?

3. Um andere kümmern: Deine Glaubenssätze „zwingen“ dich dazu!

Es gibt so viele Glaubenssätze, die uns innerlich regelrecht dazu zwingen, uns mehr um andere zu kümmern als um uns selbst.

Hier mal ein paar Beispiele:

– Ich bin nicht gut genug
– Ich muss etwas leisten, um Anerkennung zu bekommen
– Ich bin nicht wertvoll/liebenswert

All diese Glaubenssätze zwingen uns dazu, etwas zu tun! Etwas zu tun, um das Gefühl zu haben,

vielleicht doch gut genug zu sein.
gebraucht zu werden, denn dann bin ich wertvoll.
Anerkennung verdient zu haben.

Diese Glaubenssätze beeinflussen unser Verhalten und führen dazu, dass wir uns immer wieder in dieselbe Falle begeben.

Das Tun ist wichtiger als unsere eigenen Bedürfnisse. Manchmal vergessen wir durch das Tun unsere eigenen Bedürfnisse sogar komplett. Egal in welchen Bereichen unseres Lebens sich das „Tun“ zeigt, eines ist immer gleich: Erst das Tun, und dann kommen erst wir selbst. Und oft kommt nach dem Tun das nächste Tun, und das nächste Tun und das nächste Tun – sodass für uns selbst gar keine Zeit mehr bleibt!

4. Gesellschaftliche Struktur

Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir viele kollektive Glaubenssätze haben, die eine Botschaft haben: Leistung ist das Wichtigste! Vergnügen und Wohlbefinden kommen frühestens an 2. Stelle. Der Spruch „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“ bringt es auf den Punkt. Das zieht sich durch unsere ganze Gesellschaft.

Zum Beispiel bei der Belohnung von Noten in der Schule. Wenn du eine gute Note hast, wirst du belohnt. Wenn du eine schlechte Note hast, bekommst du nichts oder vielleicht sogar geschimpft. Es wird nicht wertgeschätzt, wie sehr sich das Kind angestrengt oder bemüht hat. Es wird nicht darüber nachgedacht, dass das Kind vielleicht einen schlechten Tag hatte oder es ihm nicht gut ging, als die Probe geschrieben wurde. Ich war wirklich sehr erschrocken darüber, dass dieses Belohnungssystem der Eltern tatsächlich auch heute noch gang und gäbe ist!

Im Berufsleben ist es nicht anders: Solange du funktionierst, ist alles wunderbar! Wenn nicht, dann interessiert sich der Arbeitgeber nicht mehr für dich.

Die Botschaft ist immer: Solange du leistest, was ich von dir erwarte, ist alles gut. Wenn nicht, dann bist du für mich nicht mehr wichtig.

Also:
Leistung bringen = wichtig sein! Und im Umkehrschluss bedeutet das
Keine Leistung bringen = unwichtig sein!

Um das zu vermeiden, liefern wir Leistung! Egal, wie es uns dabei geht.

Auch wenn sich in den letzten Jahren da schon einiges verändert hat, ist das alte Leistungsdenken immer noch sehr tief verwurzelt.

So, und jetzt kommt die spannendste und wichtigste Frage:

3 Schritte, wie du dich besser um dich selbst kümmern kannst

Wie kannst du aus dem „Ich kümmere mich immer um andere“ ein „Ich kümmere mich auch um mich selbst“ machen?

1. Reflektiere deine Gedanken dazu

Wenn dein Motto „Immer um andere kümmern“ ist, dann nimm dir als erstes Mal einen Moment Zeit und hinterfrage die Aussage. Woher kommt sie? Wurde dir das immer gesagt oder vorgelebt, oder ist es tatsächlich DEINE Überzeugung? Wenn du erkennst, dass du dieses Motto übernommen hast, kannst du dir ein paar alternative Gedanken überlegen, die dir helfen, den „um andere kümmern“ Automatismus zu durchbrechen.

Solche Gedanken können sein:

  • Ich bin erwachsen – ich kann jetzt selbst entscheiden, was ich tue und wie ich es tue.
  • Ich weiß, dass meine Mama es immer so macht. Und es ist vollkommen okay, wenn ich es anders mache.
  • Es ist okay, wenn ich mich auch um mich kümmere

Das sind jetzt nur ein paar Beispiele. Überlege dir, welche Sätze dich dabei unterstützen würden, dich besser um dich zu kümmern. Deiner Fantasie und Kreativität sind da keine Grenzen gesetzt. Alles, was hilft, ist erlaubt.

2. Mache Schluss mit Schwarz-Weiß-Denken

Gerade bei diesem Thema ist mir schon oft aufgefallen, dass es scheinbar nur Schwarz oder Weiß gibt. Entweder kümmere ich mich um die anderen, oder ich kümmere mich um mich selbst.

Und wenn ich mich um die andere kümmere, dann opfere ich mich für sie auf. Und wenn ich mich um mich kümmere, dann bin ich egoistisch.

Das ist natürlich völliger Quatsch!

Du kannst dich gut um dich selbst kümmern und dich trotzdem auch um andere. Wenn du dich gut um dich selbst kümmerst, bedeutet das nicht, dass du mit ausgefahrenen Ellbogen durchs Leben gehst und laut schreist: Aus dem Weg, jetzt komm’ ich – alles andere ist vollkommen unwichtig!

Ich weiß, das klingt jetzt ein wenig übertrieben, aber von meinen Klientinnen hatten viele so ein ähnliches Bild in ihren Köpfen.

Deshalb mein großer Appell an dich: Verabschiede dich bitte von dieser Vorstellung!

Du kannst dich…

…gut um dich kümmern und trotzdem mitfühlend mit anderen sein.

…liebevoll um andere kümmern, ohne dass du selbst auf der Strecke bleibst!

…selbstbewusst für dich und deine Bedürfnisse einstehen, ohne deshalb egoistisch zu sein.

Hast du Lust auf eine kleine Übung? Spreche diese Sätze mal laut in der Ich-Form aus, und schau mal, was dein erster Impuls ist. Kommt ein Ja, stimmt, so ist es! Oder ein Widerstand und Gedanken wie Nein, das stimmt nicht. Das fühlt sich falsch an.

Versuche, dich langsam an diese neuen Gedanken zu gewöhnen und dich gleichzeitig vom Schwarz-Weiß-Denken in diesem Kontext zu verabschieden. Je klarer du mit deinen Gedanken und Überzeugungen wirst, desto leichter fällt es dir auch, im Alltag für dich einzustehen

Es geht nämlich definitiv beides!

3. Übe dich im Nein-Sagen

Zum „gut um dich selbst kümmern“ gehört auch ein gesundes Maß an Abgrenzung. Abgrenzung bedeutet nicht, dass du egoistisch oder lieblos bist. Es bedeutet, dass du Verantwortung für dein eigenes Wohlbefinden übernimmst. Und das ist wichtig, damit du überhaupt die Energie hast, für andere da zu sein.

Deshalb übe dich darin, Nein zu sagen – vor allem dann, wenn du merkst, dass deine eigenen Bedürfnisse sonst auf der Strecke bleiben. Übe dich darin, gesunde Grenzen zu setzen! Wenn du ein Haus mit Garten hast, dann würdest du auch nicht alle Menschen durch deinen Garten laufen lassen. Und das solltest du auch im Zwischenmenschlichen nicht tun.

Wenn dir ein direktes Nein schwerfällt, beginne mit kleinen Schritten: Sag in weniger wichtigen Situationen bewusst Nein oder verschaffe dir erst mal Bedenkzeit. Statt direkt zuzusagen, kannst du freundlich antworten: „Ich schaue nach, ob ich das schaffe, und gebe dir später Bescheid.“ Mehr Strategien, wie du Grenzen setzen kannst, und zwar ohne Schuldgefühle, findest du in meinem Mini-Guide dazu.

Mit der Zeit und mit ein bisschen Übung wirst du merken, dass es sich richtig gut anfühlt, deine Grenzen zu setzen. Du wirst klarer in deiner Kommunikation – und gleichzeitig merken, dass viele Menschen dein Nein nicht nur respektieren, sondern es sogar gut finden.

Fazit

Es macht den Anschein, dass es gute Gründe gibt, warum du dich mehr um andere als um dich selbst kümmern solltest. Aber, das ist ein Trugschluss und ganz wichtig ist dabei: Das ist nicht dein Fehler, du hast nichts falsch gemacht und du bist damit nicht alleine! Ganz vielen Frauen geht es so.

Aber wenn du diesen Blogartikel bis hierhin gelesen hast, gehe ich davon aus, dass du damit nicht glücklich bist. Deshalb ist jetzt der perfekte Zeitpunkt, das zu ändern. Dabei ist das Wichtigste, dass du erkennst und bewusst wahrnimmst, welche Ursache bei dir dahintersteckt.

Sobald du dir dessen bewusst wirst, kann die Veränderung beginnen – Schritt für Schritt. Wichtig ist dabei, dass du Geduld mit dir hast und liebevoll mit dir umgehst. Veränderung braucht Zeit – aber sie ist möglich. Jeder kleine Schritt ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Sei liebevoll mit dir und feiere deine Fortschritte, auch wenn sie dir vielleicht noch klein erscheinen.

Und vergiss nicht: Du bist es wert, dich auch um dich selbst zu kümmern! 💛


Du hättest gerne Unterstützung auf dem Weg raus aus der „Immer um andere kümmern“ Falle ohne dabei egoistisch zu sein und die anderen vor den Kopf zu stoßen? Dann vereinbare mit mir ein unverbindliches, kostenloses Erkenntnis-Coaching, in dem wir gemeinsam deine Situation beleuchten und besprechen, was die nächsten guten Schritte für dich sind!


2 Comments

  • Laura sagt:

    Liebe Rosina,

    bei mir steckt tatsächlich dahinter, geliebt zu werden und es allen anderen immer recht machen zu wollen. Das beginnt in der Arbeit mit Kollegen und dem Chef und zieht sich bis ins Privatleben, damit ja kein Freund benachteiligt ist. Ich bin eine alte Perfektionistin und meine stets Leistung bringen zu müssen. Das hat sich bereits in der Schulzeit eingeschlichen, wo ich eine Einserschülerin war und schon da verstand, was es bedeutet, wenn man sich anstrengt. Eine Missleistung war/ist jedes Mal ein Weltuntergang.

    Herzliche Grüße
    Laura

    • Liebe Laura,
      vielen lieben Dank für deinen Kommentar. Ich glaube sehr, sehr viele Menschen finden sich in deinen Zeilen wieder. Da ist vermutlich der Glaubenssatz „Ich muss etwas leisten, um geliebt zu werden“ der Motor, der das antreibt, besonders auch die Perfektionistin in dir. Das hört sich auf jeden Fall recht anstrengend an, gerade der letzte Satz. Denn hier ist ja die große Frage: Wie interpretieren wir Missleistung? Interpretieren die anderen es genauso wie ich? Das Gute an solchen Dynamiken ist, dass es mittlerweile viele Möglichkeiten gibt, damit zu arbeiten, sie abzuschwächen und manchmal vollständig zu verändern.
      Alles Liebe für dich, Rosina

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