Eine Freundin ruft an, weil sie einen echt schlechten Tag hatte und fragt, ob sie auf einen Kaffee vorbeikommen kann. Du hast eigentlich keine Zeit und sagst trotzdem ja. Du hattest in letzter Zeit viel Stress und freust dich total auf deinen Entspannungs-Abend heute. Ausgerechnet heute ist deine Kollegin krank und dein Chef bittet dich länger zu bleiben. Und du sagst ja. Deine Mutter bittet dich um einen Gefallen, auf den du absolut keine Lust hast und Zeit ist auch knapp. Und trotzdem sagst du zu!
Kennst du solche oder ähnliche Situationen?
Um andere kümmern – das hat für viele oberste Priorität. Meine Klientinnen fragen mich dann oft: Warum mache ich das? Warum kann ich nicht einfach nein sagen? Warum kümmere ich mich immer erst um die anderen, bevor ich mich um mich selbst kümmere?
Auf diese Fragen liefere ich Antworten in diesem Artikel.
Warum kümmerst du dich mehr um andere, als um dich?
1. Du hast es so gelernt
Von klein auf schauen wir uns bei unseren Eltern ab, wie es geht, erwachsen zu sein. Das, was unsere Eltern tun, wird unsere Vorstellung davon, wie man wohl als Erwachsener zu sein hat. Wenn meine Mama sich immer mehr um andere, als um sich selbst gekümmert hat, gehe ich als kleines Kind davon aus, dass man das als erwachsene Frau so macht. Wenn meine Mama das nicht nur ab und zu, sondern immer gemacht hat, dann scheint das wohl normal zu sein.
Wir wissen, dass wir am besten am „Modell lernen“. Wenn mein Modell mir vorgelebt hat „Erst um andere kümmern und dann erst um dich“ wirst du das ziemlich sicher ganz automatisch übernehmen. Ohne es zu hinterfragen.
2. Deine Glaubenssätze „zwingen“ dich dazu
Es gibt so viele Glaubenssätze, die uns innerlich regelrecht dazu zwingen, uns mehr um andere zu kümmern, als um uns selbst.
Hier mal ein paar Beispiele:
– Ich bin nicht gut genug
– Ich muss etwas leisten, um Anerkennung zu bekommen
– Ich bin nicht wertvoll/liebenswert
All diese Glaubenssätze zwingen uns dazu, etwas zu tun! Etwas zu tun, um das Gefühl zu haben,
vielleicht doch gut genug zu sein,
gebraucht zu werden, denn dann bin ich ja wertvoll,
Anerkennung verdient zu haben.
Dieses Tun ist wichtiger als unsere eigenen Bedürfnisse. Manchmal vergessen wir durch dieses Tun unsere eigenen Bedürfnisse sogar komplett. Egal in welchen Bereichen unseres Lebens sich das „Tun“ zeigt, eines ist immer gleich: Erst das Tun, und dann kommen erst wir selbst. Dieses Tun wird oft gleichgesetzt mit sich um andere kümmern.
3. Gesellschaftliche Struktur
Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir viele kollektive Glaubenssätze haben, die eine Botschaft haben: Leistung hat oberste Priorität! Vergnügen und Wohlbefinden kommt frühestens an 2. Stelle. Der Spruch „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“ bringt es auf den Punkt. Das zieht sich durch unsere ganze Gesellschaft.
Zum Beispiel bei der Belohnung von Noten in der Schule. Wenn du eine gute Note hast, wirst du belohnt. Wenn du eine schlechte Note hast, bekommst du nichts oder vielleicht sogar geschimpft. Es wird nicht wertgeschätzt, wie sehr sich das Kind angestrengt oder bemüht hat. Es wird nicht darüber nachgedacht, dass das Kind vielleicht einen schlechten Tag hatte oder es ihm nicht gut ging, als die Probe geschrieben wurde. Ich war wirklich sehr erschrocken darüber, dass dieses Belohnungssystem der Eltern tatsächlich auch heute noch gang und gäbe ist!
Im Berufsleben ist es nicht anders: Solange du funktionierst, ist alles wunderbar! Wenn nicht, dann interessiert sich der Arbeitgeber nicht mehr für dich.
Die Botschaft ist immer: Solange du leistest, was ich von dir erwarte, ist alles gut. Wenn nicht, dann bist du für mich nicht mehr wichtig.
Also:
Leistung bringen = wichtig sein! Und im Umkehrschluss bedeutet das
Keine Leistung bringen = unwichtig sein!
Um das zu vermeiden, liefern wir Leistung! Egal, wie es uns dabei geht.
Ich glaube, dass sich die Leistungsgesellschaft langsam verändert und auch, dass wir Menschen immer mehr eine andere Richtung einschlagen. Aber bisher erlebe ich immer noch überwiegend die alte Leistungsstruktur.
Fazit
Es gibt gute Gründe, warum du dich mehr um andere, als um dich selbst kümmerst. Das ist nicht dein Fehler und du hast auch nichts falsch gemacht! Und: Du bist damit nicht alleine! Ganz vielen Frauen geht es so. Das wichtigste ist, dass du erstmal erkennst und bewusst wahrnimmst, welche Ursache bei dir dahintersteckt. Hinterlasse mir gerne einen Kommentar, was es bei dir ist!
Sobald du dir dessen bewusst wirst, kann die Veränderung beginnen. Als erstes Mal ist es wichtig, dass du ein Gefühl dafür entwickelst, dass du genauso wichtig bist wie die anderen. Da ist Selbstfürsorge übrigens ein erster, ganz wichtiger Schritt!
Du hättest gerne Unterstützung auf dem Weg raus aus der „Immer um andere kümmern“ Falle ohne dabei egoistisch zu sein und die anderen vor den Kopf zu stoßen? Dann vereinbare mit mir ein unverbindliches, kostenloses Erkenntnis-Coaching, in dem wir gemeinsam deine Situation beleuchten und besprechen, was die nächsten guten Schritte für dich sind!
Liebe Rosina,
bei mir steckt tatsächlich dahinter, geliebt zu werden und es allen anderen immer recht machen zu wollen. Das beginnt in der Arbeit mit Kollegen und dem Chef und zieht sich bis ins Privatleben, damit ja kein Freund benachteiligt ist. Ich bin eine alte Perfektionistin und meine stets Leistung bringen zu müssen. Das hat sich bereits in der Schulzeit eingeschlichen, wo ich eine Einserschülerin war und schon da verstand, was es bedeutet, wenn man sich anstrengt. Eine Missleistung war/ist jedes Mal ein Weltuntergang.
Herzliche Grüße
Laura
Liebe Laura,
vielen lieben Dank für deinen Kommentar. Ich glaube sehr, sehr viele Menschen finden sich in deinen Zeilen wieder. Da ist vermutlich der Glaubenssatz „Ich muss etwas leisten, um geliebt zu werden“ der Motor, der das antreibt, besonders auch die Perfektionistin in dir. Das hört sich auf jeden Fall recht anstrengend an, gerade der letzte Satz. Denn hier ist ja die große Frage: Wie interpretieren wir Missleistung? Interpretieren die anderen es genauso wie ich? Das Gute an solchen Dynamiken ist, dass es mittlerweile viele Möglichkeiten gibt, damit zu arbeiten, sie abzuschwächen und manchmal vollständig zu verändern.
Alles Liebe für dich, Rosina