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Persönliches

Warum ich meinen Klienten nicht auf Augenhöhe begegne

By 19. April 2022Februar 8th, 20242 Comments

Mir ist es wichtig, meinen Klienten/Kunden auf Augenhöhe zu begegnen.“ Diesen Satz lese ich ganz oft auf Webseiten von Psychotherapeuten und Coaches. Bei mir ist das anders: Ich begegne meinen Klientinnen nicht auf Augenhöhe! Warum nicht? Darum geht’s in diesem Artikel.

Ich glaube, es war Carl Rogers, der in den 60er Jahren die Therapeut-Szene ziemlich auf den Kopf stellte, als er sagte: Für eine wirkungsvolle Therapie ist es unbedingt notwendig, dass der Therapeut dem Klienten auf Augenhöhe begegnet. Er war es auch, der damit begann, seine „Patienten“ Klienten zu nennen. Er war der Überzeugung, dass die Hierarchie, der Therapeut steht über dem Klienten, dem Heilungsprozess nicht dienlich ist.

Das war damals eine Revolution und ein Raunen ging durch die Therapeutszene, denn die alteingesessenen Psychotherapeuten, vor allem die aus der Freud’schen Schule, konnten dieser Gleichberechtigung nicht viel abgewinnen. Die Psychotherapeuten seinerzeit waren definitiv auch Halbgötter in Weiß und standen natürlich über den Patienten.

Heutzutage ist das gang und gäbe. Das Motto „Ich begegne meinen Klienten auf Augenhöhe!“ ist weit verbreitet.

Ich arbeite nicht danach. Ich gehe noch einen Schritt weiter, als Rogers seiner Zeit.

Deshalb sage ich ganz bewusst: Ich begegne meinen Klienten nicht auf Augenhöhe! Und diesen Satz sage ich aus vollster Überzeugung.

Wie alles begann…

Ich habe 2011 meine Praxis eröffnet. Seitdem habe ich sehr viele Sitzungen gehalten und viele Klientinnen mit ganz unterschiedlichen Problemen begleitet.

Wenn ich in diesen letzten 11 Jahren eines gelernt habe, dann, dass die Seele der Klienten am allerbesten weiß, was jetzt der nächste gute Schritt ist. Die Klientin weiß das meist nicht bewusst, aber das Wissen schlummert in ihr. Deshalb sehe ich nicht mich als die Expertin, sondern die Klientin selbst. Niemand weiß es besser als sie selbst. Sie hat vielleicht im Moment gerade keinen Zugriff auf ihr Expertenwissen, aber es ist definitiv da.

Demnach begegnen wir uns nicht auf Augenhöhe, sondern die Klientin „steht“ über mir.

Ich sehe mich hier als Begleiterin, als Helferin dieses Expertenwissen wieder ans Tageslicht zu bringen. Ich unterstütze meine Klientinnen dabei diesen Schatz in sich wiederzufinden und begleite Sie auf dem Weg dahin und gerne auch danach in der Umsetzung. 

Und genau aus diesem Grunde empfinde ich es nicht so, als würde ich den Klientinnen auf Augenhöhe begegnen. Ich maße mir nicht an, es „besser“ als die Klientin zu wissen, was für sie gut ist, oder was der nächstbeste Schritt ist. Das weiß die Seele der Klientin viel besser. Ich helfe beim Übersetzen, beim Entziffern und beim Umsetzen.

Das zeigt sich übrigens besonders deutlich, wenn ich eine Intervention oder eine Übung mit einer bestimmten Intention anleite, und dann kommt was anderes dabei raus, als das, was die Klientin oder ich erwartet haben. Dann weiß ich, wir sind dem Prozess der Seele gefolgt.

Was sich daraus entwickelte…

Ich empfinde es als höchste Kunst, sich selbst, seine Erwartungen, und seine Wünsche so zurückzustellen, und einfach dem zu folgen, was die Seele zeigt und bringt.

Ich kann mich noch gut an meine ersten Sitzungen erinnern. Da hatte ich oft vor den Sitzungen einen kompletten Plan, was ich in der Sitzung mache werde. Oft habe ich mir auch vorab schon die Interventionen überlegt. Tatsächlich waren diese Sitzungen dann total frustrierend, für mich und die Klientin. Ich habe ein wenig gebraucht um zu verstehen, warum das so war, denn die Arbeit, die Interventionen an sich waren gut und auch sauber ausgeführt.

Bis ich dann durch Zufall herausgefunden habe, je „blanker“ ich in die Sitzung gehe, je weniger Erwartungen ich an das habe, was in der Sitzung passiert, und je mehr ich mich auf das einlasse, was die Klientin (auch unbewusst) mitbringt, desto besser fühlt sich die Sitzung an. Und umso beseelter haben die Klientinnen die Praxis verlassen. Auch im Nachhinein bestätigte sich immer wieder: Diese Sitzungen hatten die größte Wirkung!

Das war der Punkt, an dem mir klar wurde, dass die Klienten alles mitbringen, was es braucht!

Meine Aufgabe ist es, das wahrzunehmen, achtsam zu sein und an der richtigen Stelle einzulenken. Und auch nicht immer gleich locker zu lassen, wenn ein wenig Widerstand kommt.

Ich begegne also meinen Klienten nicht auf Augenhöhe, sondern wenn wir es hierarchisch betrachten, stehen die Klienten über mir.

Ach übrigens: Ich bin insgesamt kein großer Freund davon, Dinge in irgendwelche Schubladen und Hierarchien einzuteilen.

Am liebsten ist es mir zu sagen: Du bist du und ich bin ich. Und wenn es für uns beide gut passt, dann beginnen wir einen gemeinsamen Weg, den so nur wir beide gehen können.


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Über die Autorin: Rosina Geltinger

Ich liebe es die Wege der Seele zu ergründen. Davon bin ich schon seit vielen Jahren fasziniert. Ich finde es unglaublich spannend zu sehen, welche kreativen Wege unsere Seele findet, um uns an unsere Themen liebevoll heranzuführen.

Der Schlüssel zum Glück liegt immer in uns. Davon bin ich überzeugt. Je tiefer und besser wir uns selbst kennen, verstehen und annehmen, desto glücklicher und zufriedener können wir sein.

Dazu arbeitet ich seit vielen Jahren mit meinen Klienten online und offline in meiner Praxis in München.

Auf meinem Blog schreibe ich zu den Themen Selbstwertgefühl, Lebensfreude und innere Ruhe.

Ich bin Heilpraktikerin für Psychotherapie, holistische Psycho-Kinesiologin, Kursleiterin für Entspannungsverfahren. Mehr über mich erfährst Du hier.

2 Comments

  • Katharina sagt:

    Und ich dachte noch beim Lesen der Überschrift: „Huch, was ist jetzt mit Rosina los?“ 🙂
    Toller Text und ich empfinde es genauso: wir sind die Lernenden, unser Gegenüber der Lehrmeister. Wir können aber mit unserem Blick von außen den selbst gewählten Weg mitbegleiten.
    Ich freu mich, bald mehr von dir zu lesen.
    Liebe Grüße, Katharina

    • Liebe Katharina, vielen lieben Dank für deinen Kommentar. Das war natürlich auch absichtlich ein wenig provokativ 😉, aber eben auch wirklich genauso gemeint. Ich freue mich, dass du es genauso siehst. Liebe Grüße Rosina

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